Blogbeitrag
24.10.2024

Sechs Lernmythen, die durch die Neurowissenschaft widerlegt wurden

Neurowissenschaft ist keine Raketenwissenschaft. Sie ist sogar noch komplexer, denn sie befasst sich mit dem menschlichen Gehirn. Während physikalische Gesetze recht eindeutig sind (obwohl für viele von uns schwer zu begreifen), zeigt die Gehirnchemie und ihr Einfluss auf menschliches Verhalten eine bemerkenswerte Variabilität. Seit der Einführung des fMRT-Geräts im Jahr 2000 ist das Studium des Gehirns förmlich explodiert – und mit ihm wurden viele alte Mythen über das Gehirn entlarvt.

Ein realistisches 3D-Modell eines menschlichen Gehirns schwebt vor einem Hintergrund mit Farbverlauf in sanften Lila- und Blautönen und wird von sanftem Licht von oben beleuchtet.

Hier sind sechs solcher Mythen, die für Lernexperten besonders relevant sind.

Mythos 1: Manche Menschen sind gut im Multitasking.

Der Begriff Multitasking ist irreführend. Tatsächlich handelt es sich lediglich um die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit schnell zwischen verschiedenen Aufgaben zu wechseln – allerdings sind dieser Fähigkeit natürliche Grenzen gesetzt. Diese Erkenntnis ist besonders für Experten im Bereich des virtuellen Lernens von Bedeutung. Personen, die virtuell lernen, haben viele mehr Möglichkeiten, sich abzulenken, als sie es in einem Präsenztraining hätten. Daher ist es entscheidend, Lernende kontinuierlich zu fesseln und ihre Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten.

Mythos 2: Wir können im Schlaf lernen.

Schlaf ist für das Lernen entscheidend – aber entgegen der Hoffnung von Studierenden lernen wir nicht während wir schlafen. Der Grund, warum wir uns vor dem Schlafen an das erinnern müssen, was wir behalten wollen, liegt darin, dass Kurzzeiterinnerungen während des Schlafs in Langzeiterinnerungen „umgebaut” werden. Je öfter wir also vor dem Schlafen wiederholen und üben, desto höher ist die Chance, dass wir uns erinnern, wenn es darauf ankommt.

Mythos 3: Wir haben bevorzugte Lernstile.

Obwohl es eine weit verbreitete Annahme ist, dass individuell angepasste Lehrmethoden an die bevorzugten Lernstile das Lernen beschleunigen, fehlt es an wissenschaftlichen Beweisen für diese Theorie. Natürlich gibt es Präferenzen für bestimmte Unterrichtsmethoden, aber effektiver für den Lernprozess ist es, sich auf die individuelle Lernfähigkeit und das vorhandene Wissen zu konzentrieren. Eine Anpassung der Geschwindigkeit, mit der neues Material verstanden werden soll, sowie eine Feinabstimmung des Schwierigkeitsgrades der Aufgaben, bieten einen weit besseren Ansatz, um Lehrinhalte auf die Bedürfnisse der Lernenden zuzuschneiden.

Mythos 4: Wir lernen am besten, wenn das Lernmaterial einfach und klar ist.

Es ist zwar eine ansprechende Vorstellung, doch sie entspricht nicht der Wahrheit. Anweisungen, die Neuheit und Komplexität enthalten, erweisen sich als effektiver als eine logische und einfache Struktur.

Mythos 5: Wir lernen am besten, wenn wir uns sicher fühlen.

Menschen lernen oft effektiver, wenn sie sich außerhalb ihrer Komfortzone bewegen. Diese kontraintuitive Erkenntnis wird durch Studienergebnisse gestützt, die aufzeigen, dass das Begehen von Fehlern und das Vergessen – beides Quellen von Frustration und Selbstzweifeln – tatsächlich zuverlässige Mittel zum Erwerb und zur dauerhaften Speicherung neuer Informationen darstellen. Insbesondere jene Fehler, die mit hoher Zuversicht gemacht werden, bleiben uns nachhaltig im Gedächtnis.

Mythos 6: Wissen = Handeln

Trotz unserer aller Erfahrungen mit der Kluft zwischen Wissen und Verhaltensänderung, bleibt der optimistische Glaube bestehen, dass ein einzelnes Ereignis das Verhalten einer Person ändern kann. Dieses Phänomen ist ein typisches Beispiel für eine Hoffnung, die stärker ist als die Vernunft – ähnlich einem Schüler, der darauf hofft, dass der Inhalt eines Lehrbuchs sich wie durch Magie in sein Gedächtnis einprägt, wenn er mit dem Buch unter dem Kopfkissen schläft.

Kurze Veranstaltungen wie Keynotes und Webinare sind wertvoll, um die Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Thema oder eine essentielle neue Fähigkeit zu richten. Sie dienen dazu, Bewusstsein zu schaffen sowie Interesse und Begeisterung zu entfachen.

Effektives Lernen wird jedoch durch regelmäßiges Wiederholen und Üben kleiner Lerninhalte über einen bestimmten Zeitraum hinweg optimiert, was eine solide Basis für nachfolgende Konzepte schafft. Dies erklärt den Erfolg des virtuellen Lernens, welches sich leicht in kurzen Einheiten über einen längeren Zeitraum realisieren lässt.

Das menschliche Gehirn ist ein außergewöhnlich komplexes Organ. Je mehr wir darüber lernen, desto mysteriöser scheint es zu werden. Die Versuchung ist groß zu glauben, dass unsere Gehirne wie Computer oder sogar die neueren KI-Modelle funktionieren, aber der Vergleich hinkt. Es gibt jedoch einige Dinge, die wir mit Sicherheit wissen, und Lernexperten sollten sie kennen, um die richtigen Ressourcen gezielt einzusetzen und so ihre Ziele effektiv zu fördern.

Insights

Lesedauer: min
Autor:in: Madeleine Homan Blanchard, Coachin und Mitbegründerin von Blanchard Coaching Services
Beitrag vom: 24.10.2024
Aktualisiert am: 26.5.2025

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