Wie beginnt man ein Gespräch, das hängen bleibt? Vielleicht mit einer Zahl? Mit einem Zielbild? Oder mit einem „Wir müssen reden“?
Viele Führungskräfte greifen – gerade in komplexen oder kritischen Situationen – zur sachlichsten Sprache, die sie finden können. Sie erklären, argumentieren, strukturieren. Und das ist sinnvoll. Doch oft reicht das nicht. Denn besonders dann, wenn Orientierung gefragt ist, wenn ein Team durch Unsicherheit navigiert oder ein Wandel bevorsteht, braucht es mehr als Klartext. Es braucht Verbindung.
Genau hier entfaltet Storytelling seine Kraft. Geschichten holen Menschen ab, wo sie stehen. Sie erzeugen Bedeutung – nicht durch Informationsfülle, sondern durch emotionale Nachvollziehbarkeit. Und sie schaffen dort Klarheit, wo PowerPoint-Folien nur noch weitere Fragen aufwerfen.
Menschen denken nicht in Bulletpoints, sondern in Bildern. Wenn eine Führungskraft erzählt, wie sie selbst einen Moment der Unsicherheit erlebt hat – und was sie daraus gelernt hat, entsteht Nähe. Es entsteht Glaubwürdigkeit. Und oft auch die Erlaubnis für andere, sich ebenfalls einzubringen.
Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass Geschichten deutlich mehr Hirnareale aktivieren als reine Fakten. Während ein klassisches Briefing vor allem das Sprachzentrum anspricht, erzeugen gut erzählte Geschichten emotionale, sensorische und sogar motorische Reaktionen. Wir erleben mit – und das macht den Unterschied.
In unseren Trainings zeigt sich immer wieder: Führungskräfte, die Storytelling bewusst einsetzen, erreichen ihre Teams anders. Nicht lauter, sondern klarer. Nicht belehrend, sondern einladend.
Veränderungsprozesse sind selten beliebt, selbst wenn sie notwendig sind. Wer als Führungskraft ausschließlich auf rationale Begründungen setzt („Wir müssen effizienter werden“), erzeugt oft Distanz. Wer dagegen eine persönliche Geschichte teilt, etwa von einem eigenen Perspektivwechsel oder einem konkreten Lernmoment, schafft Anschlussfähigkeit.
Eine solche Geschichte könnte zum Beispiel so beginnen:
„Ich war selbst skeptisch, als ich das erste Mal von diesem neuen Tool gehört habe. Und dann hat mir ausgerechnet unsere jüngste Kollegin gezeigt, wie es wirklich funktioniert …“
Solche Erzählungen öffnen Türen, nicht weil sie perfekt sind, sondern weil sie zeigen: Veränderung betrifft uns alle. Und sie ist gestaltbar.
Eine Vision, die sich nicht vorstellen lässt, bleibt Theorie. Zahlen oder Leitsätze allein inspirieren nicht, sie informieren. Erst durch Storytelling wird aus einem Zielbild ein gemeinsames Zukunftsbild.
Führungskräfte, die erzählen können, wie sich Erfolg anfühlen könnte, erzeugen Energie. Zum Beispiel so: „Stellt euch vor, wir sitzen in einem Jahr genau hier und feiern, dass wir den Prozess geschafft haben. Nicht, weil alles glatt lief, sondern weil wir zusammen gewachsen sind.“
Solche Bilder geben Richtung. Und sie machen Mut.
Werte wie Vertrauen, Verantwortung oder Mut lassen sich nicht anordnen, sie müssen erlebt und erzählt werden. Eine kurze Geschichte darüber, wie eine Kollegin sich für eine Entscheidung stark gemacht hat, obwohl sie Gegenwind spürte, sagt mehr über Unternehmenskultur als jede PowerPoint-Folie.
Geschichten sind hier wie Ankerpunkte für Kultur: Sie machen abstrakte Prinzipien greifbar und zeigen, wie sie sich im Alltag konkret zeigen (oder eben nicht).
Gute Geschichten müssen nicht lang sein. Aber sie brauchen Struktur, Glaubwürdigkeit und eine klare Absicht. Es geht nicht um Inszenierung – sondern um Verbindung.
Dabei helfen vier einfache Prinzipien:
In einem unserer Führungstrainings berichtete eine Teilnehmerin von einem bevorstehenden Change-Projekt, bei dem sie das Team bisher nicht erreichen konnte. Der Prozess war sauber geplant, der Business Case stimmte, aber die Mitarbeitenden blieben passiv.
Im Training entwickelte sie eine persönliche Geschichte: Sie erzählte von einem früheren Projekt, das am Anfang ebenfalls holprig war und von einem Moment, in dem sie ihre eigene Skepsis überwinden musste. Die Geschichte war kurz, ehrlich und sehr konkret. Als sie diese in ihrem nächsten Teammeeting einbaute, änderte sich der Ton. Die Mitarbeitenden begannen zu sprechen. Über ihre Bedenken. Aber auch über mögliche Lösungswege.
Viele Führungskräfte fragen sich: Wie soll ich das auch noch unterbringen? Die gute Nachricht: Storytelling braucht keinen Extraplatz, sondern Aufmerksamkeit für den Moment.
Ein kurzer Einstieg im Weekly. Eine Rückschau in einem Einzelgespräch. Eine Anekdote bei der Begrüßung neuer Kolleg*innen. All das sind Gelegenheiten, um kleine, aber wirksame Geschichten zu erzählen.
Ein paar Empfehlungen für den Einstieg:
In einer Welt, in der vieles im Wandel ist und Orientierung kostbar wird, brauchen Menschen Führung, die nicht nur steuert, sondern Sinn stiftet. Storytelling ist ein Schlüssel dazu. Nicht, weil es hübscher klingt, sondern weil es tiefer wirkt. Führungskräfte, die mit Geschichten führen, schaffen Vertrauen, machen Zukunft greifbar und öffnen Räume für Dialog. Sie machen sich selbst sichtbarer und machen es anderen leichter, sich mitzubewegen.