Zwei Männer, zwei Welten und doch eine gemeinsame Botschaft. Ken Blanchard, der Leadership-Vordenker, und Yvon Chouinard, der rebellische Gründer von Patagonia, stehen für eine Haltung, die aktueller ist denn je: Führung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen für Menschen, für Sinn und für das, was bleibt.
 
            Manchmal begegnet man Persönlichkeiten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben und die trotzdem dieselbe Sprache sprechen. So ging es mir, als ich in den vergangenen Wochen zwei Biografien gelesen habe: „Catch People Doing Things Right“ über Ken Blanchard und „Dirtbag Billionaire“ über Yvon Chouinard.
Der eine ist Management-Vordenker, Lehrer, Autor und Mitbegründer des Konzepts der dienenden Führung. Der andere ist Kletterer, Handwerker, Gründer von Patagonia und wohl einer der konsequentesten Unternehmer unserer Zeit.
Ken Blanchard durfte ich 2024 beim Global Partner Meeting von Blanchard® zum ersten Mal persönlich kennenlernen. Damals war er bereits 85 Jahre alt und körperlich sehr geschwächt. Er kam direkt aus dem Krankenhaus und bestand trotzdem darauf, dabei zu sein, wenn auch nur für kurze Zeit. Es war einer dieser Momente, in denen spürbar wird, was echte Präsenz bedeutet: Trotz seiner sichtbaren Erschöpfung füllte seine Ausstrahlung den ganzen Raum. Da war kein Pathos, keine Pose sondern nur Wärme, Menschlichkeit und diese unerschütterliche Freude, anderen zu begegnen. Ken Blanchard verkörpert das, wovon er schreibt: dienende Führung, gelebte Freundlichkeit, echte Größe im Kleinen.
Ken Blanchard ist überzeugt davon, dass erfolgreiche Führung nicht auf Macht oder Autorität basiert, sondern auf Vertrauen, Klarheit und dem echten Interesse am Menschen.
„The key to successful leadership today is influence, not authority“
Für ihn beginnt Führung nicht mit Kontrolle, sondern mit Beziehung. Sein berühmter Satz „Catch people doing things right“ klingt im ersten Moment simpel, beschreibt aber einen zutiefst menschlichen Ansatz: Den Blick nicht auf das zu richten, was fehlt, sondern auf das, was gelingt.
Yvon Chouinard hat ein Unternehmen geschaffen, das auf Verantwortung und Klarheit gründet. Seine Entscheidungen folgen keinem Marketingtrend, sondern einem inneren Kompass. Er sieht sich selbst nicht als Unternehmer, sondern als Handwerker, der zufällig ein Unternehmen führt. „I don’t want to be a businessman. I just want to be a craftsman.“ Das beschreibt ihn besser als jede Biografie.
Während Blanchard Menschen dazu inspiriert, besser zu führen, erinnert Chouinard daran, warum wir überhaupt führen: um Sinn zu schaffen für andere, für uns selbst, für die Welt.
Beide Männer sind auf ihre ganz eigene Weise Dienende. Ken Blanchard spricht vom Servant Leadership, also einer Haltung, bei der es nicht darum geht, anderen vorzuschreiben, was sie tun sollen, sondern sie zu befähigen, das Beste in sich zu entfalten.
„Servant leadership is all about making the goals clear and then rolling your sleeves up and doing whatever it takes to help people win.“
Führung ist für ihn kein Status, sondern ein Dienst. Es geht darum, Menschen den Rahmen zu geben, in dem sie erfolgreich sein können und ihnen dabei zu helfen, über sich hinauszuwachsen.
Yvon Chouinard führt auf einer anderen Ebene. Er führt kein Team im klassischen Sinn, sondern eine Überzeugung.
„We’re in business to save our home planet.“
Das ist mehr als ein Unternehmenszweck, es ist ein Bekenntnis. Er hat verstanden, dass wirtschaftlicher Erfolg ohne Verantwortung nur eine halbe Sache ist. Seine Form der Führung entsteht aus Haltung und Konsequenz: aus der Bereitschaft, das Richtige zu tun, auch wenn es unbequem ist.
Was beide verbindet, ist die Einsicht, dass Führung nicht in Strukturen beginnt, sondern in der inneren Haltung. Sie haben auf sehr unterschiedliche Weise gezeigt, dass man andere nur dann führen kann, wenn man weiß, wofür man selbst steht.
Ken Blanchard erinnert uns daran, dass Vertrauen die Grundlage jeder erfolgreichen Zusammenarbeit ist. Wer Menschen wirklich sieht, wer ihnen zuhört und sie ernst nimmt, schafft die Basis, auf der Entwicklung und Leistung möglich werden. „None of us is as smart as all of us“, sagt er und fasst damit zusammen, was Teamarbeit im Kern ausmacht: das gemeinsame Wachsen, nicht das individuelle Gewinnen.
Yvon Chouinard verkörpert Mut, den Mut, Dinge anders zu machen, und die Konsequenz, dafür geradezustehen.
„When you feel fear, that’s when you know you’re doing something worthwhile“
Dieser Satz bleibt hängen, weil er zeigt, dass Mut kein heroischer Akt ist, sondern eine bewusste Entscheidung. Er erinnert uns daran, dass Veränderung selten bequem ist, aber notwendig, wenn sie Sinn haben soll.
Beide fordern uns als Führungskräfte heraus, über uns selbst hinauszudenken: Blanchard, indem er uns auf den Menschen im Mittelpunkt verweist. Chouinard, indem er uns zeigt, dass Verantwortung weit über die eigene Organisation hinausgeht.
Ken Blanchard baut Menschen auf, Yvon Chouinard baut eine Welt. Und beide beweisen, dass gute Führung weder laut noch perfekt sein muss, sondern echt.
Führung heißt, sich bewusst zu entscheiden: für Vertrauen statt Kontrolle, für Haltung statt Bequemlichkeit, für Sinn statt Selbstzweck. Vielleicht ist genau das die Aufgabe moderner Führung, das Menschliche mit dem Richtigen zu verbinden.
Blanchard würde sagen: „Catch people doing things right.“ Chouinard würde vielleicht antworten: „Do the right thing, and do it right.“ Beide haben recht. Denn gute Führung entsteht genau dort, wo Haltung auf Handeln trifft.
Führung ist keine Rolle, sondern eine tägliche Übung in Bewusstheit, Mut und Verantwortung. Oder, wie Yvon Chouinard es formuliert:
„The more you know, the less you need.“
Vielleicht geht es in Zukunft weniger darum, noch mehr Tools oder Modelle zu beherrschen, sondern darum, das Wesentliche zu leben, als Mensch, als Führungskraft, als Teil eines größeren Ganzen.