In vielen Organisationen sind Lernangebote fester Bestandteil der Personalentwicklung. Trotzdem bleibt die Beteiligung häufig hinter den Erwartungen zurück. Mitarbeitende melden sich zwar für Trainings an – erscheinen aber nicht. Onlinekurse werden begonnen, aber nie abgeschlossen. Oder: Das Interesse ist grundsätzlich da, doch es fehlt an Motivation oder schlicht an Zeit.
Was auf den ersten Blick wie fehlendes Engagement wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen oft als Summe ganz konkreter Barrieren: Zeitkonflikte, technische Einstiegshürden, fehlende Relevanz oder Unsicherheit im Umgang mit digitalen Tools. All diese Faktoren erschweren es Mitarbeitenden, Lernangebote nicht nur wahrzunehmen, sondern tatsächlich für sich zu nutzen.
Die gute Nachricht: Viele dieser Barrieren lassen sich abbauen – wenn Personalentwicklung Lernen konsequent aus Sicht der Lernenden gestaltet. Der folgende Beitrag beleuchtet typische Hindernisse und zeigt, wie PE-Verantwortliche durch gezielte Maßnahmen Zugänglichkeit, Teilhabe und Motivation deutlich steigern können.
Zeit ist einer der häufigsten Stolpersteine in der Weiterbildung. In einem Arbeitsalltag, der von Meetings, Deadlines und permanentem Reagieren geprägt ist, bleibt Lernen oft das Erste, was hintenüberfällt, auch wenn es auf dem Papier „wichtig“ ist.
Ein häufiger Reflex in der Personalentwicklung: Man versucht, Lernangebote noch kompakter zu machen. Doch damit ist selten geholfen. Lernen braucht nicht nur Zeit, sondern auch geistige Verfügbarkeit – Raum für Reflexion, für Anwendung, für Austausch.
Statt das Zeitproblem allein durch Kürzen zu lösen, lohnt es sich, Flexibilität mit Struktur zu verbinden. Formate wie Learning Sprints, bei denen kurze Inputphasen mit praktischer Anwendung und späterer Reflexion kombiniert werden, schaffen einen Rahmen, der gut in den Arbeitsalltag integrierbar ist. Auch asynchrone Lernphasen – z. B. als Microlearning oder Podcast – bieten Möglichkeiten, Lernen unabhängig von festen Terminen stattfinden zu lassen.
Doch letztlich reicht das nicht aus, wenn Lernen immer „on top“ gedacht wird. Lernzeit muss als Arbeitszeit sichtbar gemacht und aktiv freigehalten werden. Hier kommt den Führungskräften eine Schlüsselrolle zu: Wenn sie Lernen als Teil der Teamkultur verankern und eigene Lernprozesse offen kommunizieren, steigt auch die Bereitschaft ihrer Mitarbeitenden, sich darauf einzulassen.
Digitale Lernplattformen ermöglichen im Idealfall flexible, skalierbare Weiterbildung. In der Praxis zeigt sich jedoch immer wieder, dass Technik schnell zur unsichtbaren Barriere wird: Unübersichtliche Plattformen, vergessene Passwörter, komplizierte Oberflächen oder unzureichende mobile Optimierung sorgen dafür, dass Lernende frustriert aussteigen, bevor sie überhaupt begonnen haben.
Technik muss nicht nur verfügbar, sondern intuitiv nutzbar sein. Das bedeutet: klare Navigation, verständliche Sprache, wenige Klicks bis zum Ziel. Vor allem bei Zielgruppen, die nicht täglich mit digitalen Tools arbeiten, sollte das Design der Lernumgebung möglichst niedrigschwellig gestaltet sein.
Auch die Einführung in neue Tools verdient mehr Aufmerksamkeit. Ein kurzes, persönliches Onboarding, ein Screencast oder ein interner „Lerncoach“ können hier entscheidend dazu beitragen, dass sich Lernende sicher fühlen – und mit einem guten Gefühl starten.
Wichtig ist zudem, Barrierefreiheit im Sinne der Diversität mitzudenken: Sind Inhalte auch mit assistiven Technologien nutzbar? Gibt es Alternativen zu rein visuellem oder auditivem Material? Diese Fragen gewinnen, nicht nur vor dem Hintergrund gesetzlicher Anforderungen, zunehmend an Bedeutung.
Ein weiterer häufiger Grund für geringe Beteiligung an Lernangeboten ist fehlende Relevanz. Inhalte, die zu abstrakt, zu allgemein oder zu weit vom Arbeitsalltag entfernt sind, werden schnell als „nettes Beiwerk“ empfunden aber nicht als echte Unterstützung.
Lernen entfaltet jedoch dann seine größte Wirkung, wenn es direkt an den Erfahrungen und Herausforderungen der Teilnehmenden anknüpft. Personalentwicklung kann hier viel erreichen, wenn sie Formate stärker individualisiert und auf konkrete Kontexte bezieht.
Das beginnt bereits bei der Auswahl der Themen: Statt von der Organisation her zu denken („Was sollten alle mal gehört haben?“), lohnt es sich, den Blick auf reale Bedarfe und Situationen im Alltag der Mitarbeitenden zu richten. Eine intensive Auftragsklärung im Vorfeld, kurze Bedarfsabfragen oder partizipative Formatentwicklung können helfen, Angebote passgenauer zu gestalten.
Auch während des Lernprozesses ist es hilfreich, individuelle Transferfragen zu integrieren: „Was bedeutet das für meine Rolle?“, „Wo kann ich das konkret ausprobieren?“. Solche Reflexionsimpulse erhöhen nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die emotionale Bindung an das Thema.
Lernen ist in vielen Organisationen nach wie vor eine eher isolierte Aktivität. Mitarbeitende sind selbst dafür verantwortlich, Angebote zu finden, sich zu organisieren und den Transfer sicherzustellen. Unterstützung durch Führungskräfte oder Kolleg*innen ist selten strukturell verankert, oft sogar abhängig vom Zufall.
Dabei ist längst klar: Lernen im organisationalen Kontext braucht soziale Einbettung. Führungskräfte haben hier eine doppelte Rolle – als Vorbilder und als Ermöglicher. Sie können Lernprozesse aktiv unterstützen, etwa durch die Einplanung von Lernzeiten, Feedbackgespräche oder die Integration von Lernzielen in Mitarbeiterentwicklungsgespräche.
Ebenso wirksam ist es, Lernen ins Team zu holen: kollegiale Fallberatung, kurze Austauschformate oder die gemeinsame Anwendung von Gelerntem im Projekt fördern nicht nur den Transfer, sondern auch das soziale Lernen. Die PE kann solche Prozesse durch kleine, aber gezielte Interventionen anstoßen und begleiten.