Blogbeitrag
7.7.2025

Vom Lernerlebnis zur Lernkultur: Wie Trainings Haltung verändern können

Viele Trainings vermitteln Techniken: Gesprächsführung, Feedbackmethoden, Entscheidungslogiken. Teilnehmende kehren zurück mit Checklisten, Tools und neuen Impulsen. Doch was bleibt davon nach drei Monaten? Oder nach einem Jahr?

Die Antwort hängt maßgeblich davon ab, ob das Training nur Verhalten verändert – oder auch Haltung. Denn echtes Lernen passiert nicht nur im Kopf oder in der Hand – sondern im Innersten: im Selbstbild, in den Überzeugungen, in der Perspektive auf andere und die eigene Rolle im System.

Eine Stadtlandschaft erscheint verschwommen, außer durch die Brillengläser in der Mitte, die die Gebäude scharf abbilden, was einen Perspektivenwechsel veranschaulicht und den Unterschied in der Klarheit mit und ohne Brille hervorhebt.

Was Trainings leisten müssen, um Haltung zu verändern

Erfahrungsbasiertes Lernen: Emotionen und Identität aktivieren

Wenn Menschen spüren, statt nur zu verstehen, kann echte Veränderung beginnen. Emotionen wirken wie ein Katalysator für Lernprozesse – besonders, wenn sie mit Erfahrungen verknüpft sind, die das Selbstbild herausfordern oder erweitern.

Beispiel:
In einem Leadership Lab für angehende Teamleiter*innen übernehmen die Teilnehmenden für einen Tag die Verantwortung für ein unbekanntes Projektteam in einem Planspiel mit echten Zielvorgaben, Zeitdruck und simulierten Eskalationen. Die Rollen sind klar verteilt: Teammitglieder spielen herausfordernde Charaktere, Coachs spiegeln live die Wirkung des Verhaltens zurück.
Erkenntnis: “Ich dachte, ich sei ein kommunikativer Typ – aber unter Druck ziehe ich mich zurück. Das hat mich zum Nachdenken gebracht.

Solche Formate wirken auf Identitätsebene – sie eröffnen neue Selbstbilder, laden zur Reflexion ein und hinterlassen bleibende Eindrücke.

Reflexion & Dialog: Haltung entwickelt sich im Austausch

Haltungen sind oft unbewusst. Erst im Dialog mit anderen wird sichtbar, wie man denkt – und dass andere anders denken. Trainings, die gezielte Reflexionsphasen und Peer-Austausch integrieren, ermöglichen kollektives Lernen.

Konkret bedeutet das:
• Persönliche Wertearbeit: z. B. über biografische Reflexion („Was hat mich in meiner Haltung zu Führung geprägt?“)
• Dilemma-Diskussionen: z. B. „Würden Sie eine Regel brechen, um einem Teammitglied zu helfen?“ – unterschiedliche Antworten eröffnen neue Sichtweisen
• Peer-Coaching in Kleingruppen: z. B. kollegiale Beratung nach der Heilsbronner Methode

Beispiel:
In einem Training zur Veränderungsbegleitung reflektierten Mitarbeitende ihre Reaktionen auf eine kürzlich eingeführte Reorganisation. Im moderierten Dialog zeigte sich, dass viele ihre eigene Frustration bislang nicht als Ausdruck einer aktiven inneren Haltung wahrgenommen hatten – sondern als „gegeben“. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Perspektiven ermöglichte einen neuen Zugang zu ihrer Rolle im Wandel.

Verbindung zum Arbeitskontext: Haltung muss anwendbar sein

Eine Haltung bleibt nur dann wirksam, wenn sie im Alltag anschlussfähig ist. Trainings, die die Brücke zur realen Arbeitswelt schlagen, schaffen Relevanz und Transfer.

Essenzielle Bestandteile:
• Realitätsnahe Cases aus dem Unternehmenskontext statt abstrahierter Übungen
• Lernjournale & Transferaufgaben: strukturierte Reflexion zwischen den Modulen
• Praxisexperimente: z. B. ein bestimmtes Führungsverhalten bewusst über 3 Wochen anwenden und Wirkung beobachten
• Führungskräfte als Sparringspartner: Integration in Lernpfade, z. B. durch Reflexionsgespräche oder Shadowing

Beispiel:
In einem Unternehmen wurde ein Training zum Thema „Vertrauen führen“ mit einer konkreten Transferaufgabe ergänzt: Die Teilnehmenden sollten über einen Zeitraum von vier Wochen in konkreten Alltagssituationen auf Kontrolle verzichten und Vertrauen aktiv einsetzen – etwa beim Delegieren, bei der Aufgabenverteilung oder im Umgang mit Fehlern. Die Ergebnisse wurden im Anschluss in einer moderierten Peer-Session reflektiert.
Ergebnis: Viele berichteten von einem Shift in ihrer Denkweise – von „Vertrauen ist Risiko“ zu „Vertrauen ist Entwicklungsraum“.

Haltung verändert Kultur – Trainings sind der Hebel

Trainings, die nur Verhalten adressieren, verpuffen schnell. Trainings, die Haltung ansprechen, wirken langfristig – und verändern Kultur. Sie helfen Menschen, ihr eigenes Denken zu hinterfragen, sich neu zu positionieren und bewusster zu handeln.

Das bedeutet für die Personalentwicklung:
• Den Mut, Räume für echte Auseinandersetzung zu schaffen
• Zeit und Tiefe zuzulassen – nicht nur Effizienz
• Lernprozesse zu gestalten, die Menschen innerlich bewegen

Denn Lernen ist nicht nur ein Mittel zur Kompetenzentwicklung. Es ist ein Weg zur Bewusstseinsbildung. Und damit ein zentraler Hebel für kulturellen Wandel.

Insights

Lesedauer: min
Autor:in: Stefan Günzinger
Beitrag vom: 7.7.2025
Aktualisiert am: 7.7.2025

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