Blogbeitrag
5.8.2025

Digital Detox im Training: Warum weniger Technik manchmal mehr ist

Digitale Lernformate sind gekommen, um zu bleiben. Sie bieten Flexibilität, Reichweite und Effizienz – und sind aus modernen Lern- und Entwicklungsstrategien kaum mehr wegzudenken. Doch inmitten von Zoom-Meetings, digitalen Whiteboards, Lernplattformen und automatisierten Feedbackschleifen stellt sich eine berechtigte Frage: Können wir auch zu viel des Guten tun?

Eine digitale Illustration zeigt einen metallischen Drehknopf, der von einem blauen Licht umgeben ist, mit Symbolen von Dokumenten, einem Computermonitor und einem Smartphone - als Symbol für digitale Arbeitsabläufe und Datenmanagement und als Hinweis auf die Bedeutung von Digital Detox im Training.

Die Kehrseite der digitalen Medaille

Die Digitalisierung der Lernwelt hat viele Vorteile gebracht – aber auch neue Herausforderungen geschaffen. Menschen verbringen heute oft mehr als acht Stunden täglich vor Bildschirmen – in Meetings, beim E-Learning, in Projektmanagement-Tools. Das führt zu einem Zustand, den Psycholog*innen als “digital overload” bezeichnen: Reizüberflutung, Erschöpfung, verringerte Aufnahmefähigkeit.

Besonders in komplexen Themenfeldern wie Führung, Kommunikation oder Selbstreflexion kann dies kontraproduktiv sein. Denn diese Inhalte benötigen emotionale Tiefe, innere Verarbeitung und sozialen Kontakt – Qualitäten, die sich in rein digitalen Settings nur begrenzt entfalten.

Digital ist nicht automatisch besser – und analog nicht automatisch altmodisch

Digitale Trainings- und Lernformate ermöglichen viel – aber sie sind kein Allheilmittel. Gerade in Zeiten, in denen Flexibilität und Skalierbarkeit zu Imperativen geworden sind, lohnt sich die Frage: Geht es wirklich nur um Effizienz? Oder nicht vielmehr um Wirksamkeit?

Wann analoge Elemente besonders hilfreich sind:

  • Zur Vertiefung nach digitalen Inputs:
    Digitale Impulse sind ideal für Wissensvermittlung. Doch für die Integration des Gelernten braucht es oft bewusste analoge Verarbeitung – z. B. durch Journaling, Reflexionsrunden in Präsenz oder den Austausch in kleinen Gruppen ohne Bildschirm.
  • Für Beziehungsaufbau und Vertrauen:
    In Leadership-Trainings ist Beziehung das Fundament. Eine echte Vertrauenskultur entsteht eher beim gemeinsamen Mittagessen als im Breakout-Room. Präsenzmodule schaffen hier soziale Nähe und emotionale Sicherheit.
  • Als bewusste Pausen im Blended-Learning-Prozess:
    In längeren Programmen wirken analoge „Inseln“ wie digitale Atempausen. Offline-Zeiten zur Selbstreflexion, Bewegung oder Selbstlernphasen mit analogen Materialien können den Lernerfolg messbar erhöhen.

Best Practices: So gelingt Digital Detox im Training

Viele Organisationen experimentieren bereits mit neuen Formaten, die das digitale Lernen gezielt entschleunigen. Hier ein paar Beispiele aus der Praxis:

Beispiel 1: “Silent Hour” in einem Online-Leadership-Programm

Nach mehreren Sessions intensivem Online-Trainings bekamen die Teilnehmenden eine Stunde „Offline-Arbeitszeit“ mit konkreten Reflexionsfragen auf Papier – ohne Bildschirm, ohne E-Mail. Das Feedback: „Endlich Zeit zum Nachdenken – und nicht nur zum Zuhören.“

Beispiel 2: Persönliches Auftaktmodul bei Blended-Learning

Ein globales Unternehmen integrierte ein zweitägiges Präsenzmodul zum Start eines zwölfwöchigen digitalen Entwicklungsprogramms. Ziel war es, Beziehungsarbeit und Vertrauen unter den Teilnehmenden zu ermöglichen – ein klarer Erfolgsfaktor für das gesamte Programm.

Beispiel 3: Journaling als fester Bestandteil

Ein Kundenprojekt im Bereich „Leading Self“ integrierte ein analoges Journal, das während des gesamten Programms begleitete. Die Teilnehmenden berichteten von mehr Klarheit, emotionaler Nähe zum Thema – und einer höheren Bereitschaft zur Verhaltensänderung.

Lernverantwortliche in der Verantwortung: Den Mut zur Lücke haben

Die zentrale Aufgabe von Verantwortlichen für Lernen und Entwicklung ist es, Lernräume wirksam zu gestalten. Dabei geht es nicht um Technikverweigerung – sondern um ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen Digitalität und Menschlichkeit.

Entscheidend ist, die Bedürfnisse der Lernenden in den Mittelpunkt zu stellen – und dabei auch die Lernpsychologie zu berücksichtigen. Menschen lernen besser, wenn sie sich sicher fühlen, wenn sie Raum zum Denken haben und wenn sie nicht von Reizen überflutet werden.

Reflexionsfragen für Trainingsverantwortliche:

  • Welche Lernziele benötigen Tiefe und Beziehung?
  • Wo können digitale Tools sinnvoll unterstützen – und wo bremsen sie eher?
  • Wie lässt sich gezielt Entschleunigung in Lernprozesse integrieren?
  • Welche analogen Elemente passen zur Kultur meiner Organisation?

 

Fazit: Technologie als Werkzeug, nicht als Dogma

Ein Training ist kein Technikprojekt – sondern ein Entwicklungsraum für Menschen. Der bewusste Einsatz von Digitalität – inklusive der Entscheidung gegen Technik in bestimmten Momenten – ist ein Zeichen von didaktischer Reife und Fokus auf Wirkung statt Trend.

Digital Detox bedeutet nicht Rückschritt, sondern Rücksicht: auf die Lernenden, auf deren Belastungsgrenzen, auf ihre Bedürfnisse nach Tiefe, Stille und echter Verbindung. Wer diesen Raum schafft, investiert nicht in weniger – sondern in mehr nachhaltiges Lernen.

Insights

Lesedauer: min
Autor:in: Stefan Günzinger
Beitrag vom: 5.8.2025
Aktualisiert am: 8.8.2025

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